Wenn man den Namen Uwe Rahn hört, denkt man als erstes an die sportlichen Leistungen des heute 58-Jährigen: In den 1980ern war er erfolgreicher Stürmer bei Borussia Mönchengladbach, dann drei Jahre in der Fußball-Nationalmannschaft und 1987 wurde er Torschützenkönig in der Bundesliga und Fußballer des Jahres. Seit dem Frühjahr 2020 tritt er in der Angriffsposition gegen einen ganz anderen Gegner an: den Darmkrebs. Uwe Rahn berichtet vom Schock der Diagnose, wie er die Krebstherapie erlebt hat und was ihm dabei geholfen hat. Und er hat vor allem eine Botschaft: „Geht zur Darmkrebsvorsorge!“
„Das sieht nicht gut aus.“ Diesen Satz möchten Patienten von ihren Ärzten ungern hören. Für Uwe Rahn brachte er am 1. April 2020 den Wendepunkt, denn nach der Darmspiegelung bekam Rahn eine Krebsdiagnose. Dabei war es, wie er sagt, „drei Sekunden vor zwölf“: Der Krebs am letzten Teilstück des Dickdarms hatte die Darmwand bereits durchwachsen und Lymphknoten-Metastasen ins Umfeld abgesiedelt.
„Ich habe seit zwanzig Jahren Colitis Ulcerosa, eine chronisch-entzündliche Darmerkrankung. Eigentlich sollte ich deshalb regelmäßig zur Darmspiegelung“, erzählt Rahn. „In den vergangenen sechs Jahren habe ich es aber schleifen lassen und bin nicht zur Untersuchung.“ Sorgen habe er sich dennoch nicht gemacht: Er habe sich ja fit gefühlt. „Da war ein leichtes Ziehen, sonst nichts“, erinnert er sich.
Die Krebsdiagnose war erst einmal ein Schock. „Die Welt bleibt stehen. Gerade hast du dir noch Gedanken darüber gemacht, dass die Fenster im Haus neu gemacht werden müssen, und dann passiert nichts mehr. Du hast nur noch mit dem Krebs zu tun. Und mit der Frage: Schaffst du das noch? Da macht man sich schon Gedanken“, beschreibt der 58-Jährige seine damalige Situation. Gleichzeitig wollte das eigene Körpergefühl so gar nicht zur Diagnose eines aggressiven Krebses passen. „Ich habe mich super gefühlt und hätte nie mit einer solchen Erkrankung gerechnet. Es stimmt schon, wenn man Darmkrebs als den schleichenden Tod bezeichnet. Ich habe tatsächlich nicht gemerkt, was sich da zusammenbraut.“
Viel Zeit zum Nachdenken blieb Uwe Rahn nicht. Direkt nach dem Befund der Darmspiegelung fanden weitere Untersuchungen statt, um das Krankheitsstadium genau zu charakterisieren: Die Größe und Ausbreitung des Tumors wurden bestimmt und es wurde überprüft, inwieweit der Krebs in die Lymphknoten und Organe gestreut hatte. Glücklicherweise war der Tumor auf den Darm und die benachbarten Lymphknoten beschränkt. Damit bestand eine hohe Heilungschance.
Bereits zehn Tage nach der Diagnose begann die Chemo- und Strahlentherapie, um die spätere Operation vorzubereiten. Mit dieser Vorbehandlung kann der Tumor begrenzt und das Tumorumfeld sterilisiert werden. Der Tumor wird so besser operierbar. „Über sechs Wochen wurden der Tumor und die Metastasen zielgerichtet mit Strahlung beschossen, und die Krebszellen wurden medikamentös zerstört. Das war schon hart. Das möchte ich nicht noch einmal erleben. Ich litt an Appetitlosigkeit, musste mich zum Essen zwingen. Müdigkeit kam dazu. Wenn ich in den Spiegel gesehen habe, kamen durch den starken Gewichtsverlust die Knochen raus. Das bin ich als Sportler ganz anders gewohnt“, schildert Rahn seine Erfahrungen.
Am 4. August 2020 fand dann die Operation statt und zeigte, dass sich die vorbereitende Therapie gelohnt hatte: „Der Tumor war quasi weg und die Lymphknoten-Metastasen waren wie zerbröselt. Das senkt das Rückfallrisiko. In einer mehrstündigen Operation wurde der kranke Darm entfernt“, erklärt Uwe Rahn. Die Operation wurde laparoskopisch durchgeführt, d.h. die Operation findet minimal invasiv ohne großen Hautschnitt statt, sondern mit Hilfe eines speziellen Instrumentariums über kleine Hautschnitte: „Ich bin am 2. Tag schon aufgestanden und herumgelaufen“, erinnert er sich.
Nach Abschluss der Wundheilung durchlief Rahn eine weitere Chemotherapie. Diese so genannte adjuvante Therapie verfolgt das Ziel, eventuell im Körper verbliebene Krebszellen abzutöten. „Die Chemo war zum Nachspülen“, lacht er. „Die ging etwas leichter als die Chemotherapie vor der Operation. Zu der Zeit durfte ich nicht trainieren und bin stattdessen spazieren gegangen. Ich habe versucht mit ordentlich Kohlenhydraten mein Gewicht wieder zu erlangen. Kartoffeln, Nudeln, Eiweißdrink, Schokoladenkuchen… Jetzt sind die 14 Kilo, die ich durch die Operation verloren hatte, wieder da.“
Man sagt Leistungssportlern nach, mental belastbar zu sein und eine besondere Disziplin und Willensstärke zu haben. Als ehemaliger Fußballprofi ist Rahn überzeugt, dass ihm diese Eigenschaften geholfen haben. „Das ist reine Kopfsache. Du hast zwei Möglichkeiten: Entweder du lässt es laufen und ergibst dich in dein Schicksal, oder du kämpfst dagegen an. Natürlich bist du kaputt während der Therapie! Und trotzdem gehst du raus, machst deinen Sport, setzt dich aufs Fahrrad und zwingst dich zum Essen“, beschreibt Rahn seinen Kampf gegen den Krebs. „So steigert man sich langsam, arbeitet sich wieder hoch, gewinnt wieder an Gewicht.“
Angetrieben hat ihn der Wunsch, alles gut zu überstehen, und die positive Unterstützung seiner Ärzte und des medizinischen Personals. „Nach der Diagnose habe ich viel gelesen und mir eine Zweitmeinung eingeholt. Am Ende zählen das Bauchgefühl und das Vertrauen, dass du bei den richtigen Ärzten bist“, betont Rahn und meint das als Tipp an andere Patienten, die Ähnliches durchmachen müssen wie er. „Meine Ärzte haben sich viel Zeit genommen. Ich wusste: Die bringen dich da durch“, erinnert er sich und fügt hinzu: „Ich vergleiche den Krebs mit einem Finale beim Fußball. Der Krebs will gewinnen. Ich will aber auch gewinnen! Deshalb ist es wichtig, ein super Team um sich herum zu haben. Zusammen mit den Ärzten habe ich die Chance, den Gegner zu bezwingen.“
Heute geht es Uwe Rahn super, wie er sagt. Er nimmt die regelmäßigen Nachsorgeuntersuchungen wahr, die alle drei Monate stattfinden und die zufriedenstellend ausfallen. Das nächste Spiel hat er schon im Blick: Der künstliche Darmausgang wird Anfang März 2021 zurückverlegt. Dafür macht er jetzt schon Beckenbodentraining: „Ich bin zuversichtlich, dass ich das gut hinkriege“, ist Rahn überzeugt.
Wenn er heute zurückblickt, dann hat er eine neue Verletzlichkeit kennengelernt, die er vorher nicht von sich kannte: „Ich dachte immer, dass mir sowas nicht passieren kann. Ich bin doch Sportler, achte auf Ernährung und Bewegung! Heute weiß ich, dass es jeden treffen kann.“ Mit dem Krebs kam auch ein neues Lebensgefühl: „Ich habe gelernt, das Leben noch mehr zu genießen und Kleinigkeiten wertzuschätzen. Was gibt es Schöneres als ein Frühstück draußen in der Sonne?“
Wäre er regelmäßig zur Darmspiegelung gegangen, wäre für Uwe Rahn vielleicht alles anders gekommen und der Krebs wäre zu verhindern gewesen. Ab dem 50. Lebensjahr ist die regelmäßige Darmkrebsfrüherkennung eine Kassenleistung. Und dennoch nehmen zu wenige Menschen in Deutschland die Vorsorge wahr. Für die Zweifler hat Rahn eine deutliche Botschaft: „Geht zur Darmkrebsvorsorge. Anders lässt sich der Darmkrebs nicht aufspüren. Lasst euch nicht verunsichern von den zwei Litern, die ihr vorher zum Abführen trinken müsst. Für die Darmspiegelung gibt es ein Schlafmittel, und wenn man aufwacht, ist es schon vorbei. Das ist ein Klacks gegen eine Krebstherapie.“ Er muss es wissen.