Wenn der Darmkrebs endoskopisch und histologisch gesichert ist, müssen die Ärzte im Darmkrebszentrum weitere Informationen über den Krebs herausfinden, um eine auf den einzelnen Patienten zugeschnittene Behandlung festzulegen. Die typischen Fragen, die sich stellen, sind: Ist der Tumor auf den Darm begrenzt oder hat er sich ausgebreitet? Ist er in tiefere Wandschichten eingewachsen? Sind die umliegenden Lymphknoten befallen? Oder sogar andere Organe?
„Im so genannten Staging nehmen wir mit Hilfe unterschiedlicher Untersuchungsmethoden die Charakterisierung des Tumors und seines potenziellen Metastasierungsweges vor. Ich erkläre das meinen Patienten so: Wir wollen nicht nur wissen, wie der Krebs heißt und wo er wohnt, sondern auch in welcher Etage, mit wie vielen Personen und in wie vielen Zimmern er wohnt. Je mehr wir über den Krebs in seinem individuellen Aufbau und in seiner Umgebung wissen, desto individueller können wir die Therapie für den Patienten planen“, erklärt Prof. Dr. Bader.
Mehrere Untersuchungsverfahren stehen zur Verfügung, um diese Fragen zu klären. „Bei einem Dickdarmkrebs führen wir in der Regel eine Darmspiegelung mit Gewebeentnahme durch, um das Gewebe histologisch zu untersuchen. Damit haben wir die Basisinformationen des Krebses. Die Umgebungsdiagnostik nehmen wir dann mit einer Computertomografie des Brustkorbs und des Bauchraums vor, um Metastasen darzustellen oder auszuschließen. Bei einem Mastdarmkrebs ist das Staging in der Regel noch etwas differenzierter. Hier kommt oft eine Ultraschalluntersuchung durch den After (Endosonografie) zum Einsatz, um die Eindringtiefe des Tumors in die Wand zu bestimmen. Mit einer Magnetresonanztomografie (MRT) des kleinen Beckens schauen wir zudem, ob auffällige Lymphknoten in unmittelbarer Umgebung des Tumors zu finden sind und ob der Tumor umliegenden Organe wie Prostata oder Scheide erreicht“, erläutert Prof. Dr. Bader das Vorgehen.
Sobald das Ausmaß der Krebserkrankung bekannt ist, werden die Befunde in ein Gremium von Spezialisten, dem sog. Tumorboard, ausführlich besprochen. Der hier beschlossene Fahrplan wird dann mit dem Patienten diskutiert und die weiteren Behandlungsschritte abgestimmt. „Wir verstehen die Unterschiede zwischen den Krebsarten immer besser. Deshalb unterscheidet sich das Vorgehen bei Dickdarm- vom Mastdarmkrebs. Und auch Dickdarmkrebs ist nicht gleich Dickdarmkrebs: Die gesamte Therapie in den multidisziplinären Teams wird immer individueller auf den Patienten abgestimmt, weil wir die Tumore immer individueller charakterisieren können“, betont Prof. Dr. Bader.
Hat das Staging ergeben, dass der Dickdarmkrebs nicht gestreut hat, dann ist eine Operation oft ausreichend. Nach der Operation wird das entnommene Gewebe eingehend histologisch untersucht. „Stellt sich dann heraus, dass die entfernten Lymphknoten von Tumorzellen befallen sind, empfehlen wir eine ergänzende Chemotherapie nach der Operation, um die Heilungschancen nochmals zu verbessern“, beschreibt Prof. Dr. Bader den Ablauf der Therapie.
Beim Mastdarmkrebs ist das Vorgehen differenzierter. Ist der Krebs in einem frühen Stadium oder im oberen Drittel des Mastdarms gelegen, kann primär operiert werden. In einem späteren Stadium oder wenn die Lymphknoten befallen sind, kann vor der Operation eine ergänzende Chemo- und/oder Strahlentherapie zum Einsatz kommen. „Der Tumor wird vor der Operation vorbehandelt, um ihn zu verkleinern und die Tumorregion zu sterilisieren. Damit wird der Tumor besser operierbar. Wenn Patienten die Begriffe Bestrahlung und Chemotherapie hören, denken sie oft, das Kind sei schon in den Brunnen gefallen. Das ist aber nicht der Fall! Diese vorbereitende Therapie findet statt, nicht weil die Situation so schlimm ist, sondern weil wir den Tumor so vor der OP begrenzen können und das in der Kombination besser ist, als einfach nur zu operieren“, betont Prof. Dr. Bader.
Seit Anfang der 2000er Jahre werde diese vorbereitende Therapie (neoadjuvante Therapie) beim Mastdarmkrebs mit Erfolg durchgeführt und seitdem stetig weiterentwickelt und verfeinert. Damals seien die chirurgischen Techniken noch nicht so gut gewesen wie heute, erläutert Prof. Dr. Bader. „Heute werden wir durch den Einsatz von minimalinvasiven Operationstechniken und durch die Robotik immer präziser, so dass es gut sein kann, dass die vorbereitende Therapie künftig weiter individuell angepasst und von Fall zu Fall zugunsten präziser Chirurgie in den Hintergrund treten wird. Dafür braucht es jedoch noch weitere Daten aus Langzeitstudien.“ Etwa acht Wochen nach dieser Vorbehandlung findet dann die Operation des Mastdarmkrebs statt.
Für beide Krebsarten – Dickdarm- und Mastdarmkrebs – gilt: „Wenn der Tumor operativ komplett entfernt ist, die entfernten Lymphknoten nicht befallen sind und keine weiteren Risikofaktoren in der Tumorbiologie bestehen, braucht es in der Regel keine Chemotherapie. Wenn die Lymphknoten jedoch befallen sind, empfehlen wir im Anschluss oft eine Chemotherapie. Auch hier gilt: Wir wollen die gute Situation nach der Operation weiter verbessern und sicherstellen, dass keine Krebszelle überlebt. Dies senkt die Gefahr eines Krankheitsrückfalls noch einmal erheblich“, erläutert Prof. Dr. Bader. Ausnahmen würden bei Patienten gemacht, deren Alters- und Gesundheitszustand eine Chemotherapie nicht zulasse oder die eine vorangegangene Chemotherapie sehr schlecht vertragen hätten, ergänzt PD Dr. Seidl.
Den Experten ist es außerdem wichtig, den Patienten die Angst vor der Chemo- und Strahlentherapie zu nehmen: „In aller Regel führt die Chemotherapie bei Dickdarmkrebs nicht zu Haarausfall. Davor haben viele Patienten Angst. Es gibt allgemeine Nebenwirkungen wie Übelkeit, Abgeschlagenheit, Durchfall, die aber in der Regel gut toleriert werden und gut behandelbar sind. Keine Frage: Diese Maßnahmen sind kein Spaziergang durch den englischen Garten, aber man kann sie bewältigen.“
Metastasen in anderen Organen – wie z.B. der Leber und der Lunge – können abhängig von der Ausdehnung durch eine Operation entfernt oder durch eine Chemotherapie an der weiteren Ausbreitung gehindert werden. „Auch dann gibt es immer noch Hoffnung auf Heilung“, betont Prof. Dr. Bader. „Patienten, die z.B. Lebermetastasen haben können den Studien zufolge zu 25 - 40% mit der richtigen Therapie geheilt werden. Das können je nach individuellem Fall leberchirurgische Eingriffe sein, in Kombination mit Chemo- und Strahlentherapie oder auch mit Hilfe einer Radiofrequenzablation, die Lebermetastasen lokal durch Hitzeeinwirkung zerstört.“
Die Operation ist das einzige Verfahren, das den Darmkrebs heilen kann. „Wenn wir bei der OP den Tumor und die angrenzenden Lymphknoten vollständig entfernen können, sind die Heilungschancen hoch. Je früher der Krebs erkannt wird, desto besser sind die Erfolgsaussichten der Operation“, betont Prof. Dr. Bader. Maßnahmen, wie die Chemo- oder Strahlentherapie, kommen ergänzend zum Einsatz, unterstützen und sichern den Erfolg der Operation und können die Langzeitprognose der Erkrankung verbessern.
Die Operation kann offen oder minimal invasiv erfolgen: Während bei einer „offenen“ Operation ein großer Hautschnitt erfolgt, wird bei einem laparoskopischen Eingriff der vom Krebs befallene Darm über drei oder vier kleine Hautschnitte mit Spezialinstrumenten entfernt.
„Onkologisch sind beide Vorgehensweisen gleichwertig“, erklärt Prof. Dr. Bader. Allerdings: „Eine minimal invasive Operation hat für den Patienten deutliche Vorteile. So erleiden die Patienten in der Regel weniger Blutverlust und weniger Komplikationen wie Wundinfektionen, Thrombosen oder Lungenentzündungen. Auch die Krankenhausaufenthalte sind kürzer als bei einem offenen Vorgehen. Das ist vor allem wichtig, wenn bei den Patienten eine anschließende Chemotherapie ansteht. Diese darf erst starten, wenn die Wundheilung komplett abgeschlossen ist. Für mich ist das ein entscheidendes Kriterium für die minimal invasive Operation.“
Dabei entscheiden technische Expertise und die Erfahrung des Chirurgen über den Operationserfolg. „Mit der laparoskopischen minimal invasiven Technik muss man sich beschäftigen. Wie bei jedem Handwerk wird man gut durch Training, häufige Anwendung und Erfahrung.“
Finden Sie hier weiterführende Informationen zu den beiden Operationsverfahren.
Nach der akuten Tumorbehandlung ist eine regelmäßige, an den Leitlinien orientierte Nachsorge sehr wichtig. Diese wird durch das Netzwerk von Hausarzt, Gastroenterologen, Onkologen und behandelndem Darmzentrum durchgeführt und überwacht. Hierzu erhält der Patient einen dezidierten Nachsorgeplan, an dem sich die verschiedenen Untersuchungen orientieren. „Mit den Nachsorgeuntersuchungen soll ein erneutes Tumorwachstum frühzeitig erkannt und behandelt werden. “, erklärt Prof. Dr. Bader.
Für fünf Jahre nach der Operation folgen die Experten einem bestimmten Nachsorgeschema, das sich nach der individuellen Krankheitssituation des Patienten bestimmt. Bestandteile der Nachsorgetermine können u.a. Blutuntersuchungen, Darmspiegelungen, Ultraschalluntersuchungen, Röntgen- und CT-Untersuchungen sein. In den ersten beiden Jahren nach der Operation werden die Untersuchungen in kurzen Abständen durchgeführt; danach genügen Kontrollen in längeren Zeitintervallen. „Wenn in den fünf Jahren nach der OP kein Krebs auftaucht, gilt der Patient als geheilt“, berichtet Prof. Dr. Bader.