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Dr. Philipper aus Düsseldorf

Die Leitlinien sehen für eine differenzierte Diagnostik bei Eisenmangelanämien und obskuren Darmblutungen einen Dreiklang von Gastroskopie, Koloskopie und Kapselendoskopie vor. Beide – Eisenmangelanämie und Darmblutungen – sind mögliche Hinweise auf ernsthafte Erkrankungen und sollten vollständig abgeklärt werden.

Ein Interview mit Dr. Michael Philipper, Facharzt für Innere Medizin und Gastroenterologie aus Düsseldorf über Ursachen und Folgen der Diagnostik und über den Stellenwert der Kapselendoskopie im heutigen Versorgungsgeschehen.

Welche Differenzialdiagnostik sollte bei obskurer Darmblutung durchgeführt werden?

Generell muss man zwischen akuten und chronisch rezidivierenden Anämien, die eine ursächliche Erkrankung vermuten lassen, unterscheiden. Die Diagnostik bei chronisch rezidivierenden Anämien ist standardisiert: Vor allem sollte eine differenzierte Blutuntersuchung durchgeführt werden, um zu klären, ob und welche Art von Blutarmut vorliegt. Es gibt ja auch Blutungen aus dem  Darmtrakt, die keine Kapselendoskopie erforderlich macht.

Zeigt das Blutbild jedoch eine Eisenmangelanämie, so sind zunächst eine Magen- und Darmspiegelung zwingend erforderlich. Sind die Befunde nach Magen- und Darmspiegelung dann unauffällig, muss zusätzlich der Dünndarm untersucht werden, es sei denn, die Ursache lässt sich anderweitig aus der Anamnese herleiten. Idealerweise wird die Kapselendoskopie in derselben Sitzung durchgeführt, so dass für den Patienten nur eine Vorbereitung erforderlich ist.

Die Leitlinien sind hier sehr klar: Sofern der Patient stabil ist, wird zur Diagnostik bei Eisenmangelanämie und bei obskurer Darmblutung der Dreiklang von Magenspiegelung, Darmspiegelung und Kapselendoskopie empfohlen.

Auf welche Erkrankungen können Eisenmangelanämien und Dünndarmblutungen hinweisen?

Eine Eisenmangelanämie ist zunächst das signifikanteste Korrelat eines gastrointestinalen Blutverlustes. Wo diese Blutung genau lokalisiert werden kann, ist damit noch offen. Eine Eisenmangelanämie muss deshalb genauer untersucht werden. Dies ist im Übrigen abhängig vom Alter, da sehr unterschiedliche Erkrankungen dahinterstecken können.

Bei Erwachsenen sind es in den meisten Fällen Erkrankungen vaskulärer Natur. Das sind ca. 30-50 Prozent der Fälle. Danach kommen die entzündlichen Veränderungen, sei es durch Medikamente, sei es durch chronisch-entzündliche Darmerkrankungen. Selten mit ca. 5 Prozent - dafür aber kritisch - sind die Tumoren. Es ist wichtig, dass wir diese entdecken, da sie in der Regel gut behandelt und sicher geheilt werden können. Schon allein dafür ist es wichtig, alle Eisenmangelanämien gut abzuklären.

Welche Folgen kann eine nicht therapierte Dünndarmblutung mit sich bringen?

Es kommt darauf an, wie akut die Erkrankung ist. Die Dynamik der individuellen Erkrankung ist sehr variabel. Je akuter das Ereignis, desto bedrohlicher kann das für den Patienten sein.

Für Patienten sind Dünndarmblutungen, die leise vor sich hin sickern und eine chronische oder wiederkehrende Eisenmangelanämie verursachen, eine dauerhafte Belastung und eine Einschränkung des Gesundheitszustands. Mit einer verzögerten oder unvollständigen Diagnostik kann sich der Gesundheitszustand des Patienten verschlechtern.

Bei Tumoren kann sich die Situation natürlich insofern deutlich verschlechtern, dass Tumoren nicht mehr kurativ behandelt werden können, weil man sie einfach nicht oder zu spät entdeckt.

Wann und in welchen Fällen kommt die Kapselendoskopie ins Spiel?

Am häufigsten wird die Kapselendoskopie zur Abklärung von Eisenmangelanämien und Blutungen aus dem Gastrointestinaltrakt  eingesetzt. Dies ist in meiner Praxis in ca. 90 Prozent der Untersuchungen, in denen die Kapsel zum Einsatz kommt, der Fall.

In den letzten Jahren wurden die chronisch-entzündlichen Darmerkrankungen eine wichtige Indikation. Hier hat die Kapselendoskopie  einen wichtigen Stellenwert, weil sie die Schleimhaut direkt visualisiert und  damit der Krankheits- und der Therapieverlauf besser beurteilt werden kann. Sie hat damit den anderen Verfahren gegenüber,  die entzündliche Veränderungen  darstellen können, wie  CT und  MRT, einen entscheidenden Vorteil.

Auch die Ausschlussdiagnostik spielt eine wichtige Rolle. Wir haben mittlerweile eine große Gruppe von Patienten mit Reizdarmphänomenen und unklaren  funktionellen Beschwerden. Bevor diese Patienten in eine diagnostische Dauerschleife mit teuren und unspezifischen MRT- und CT-Untersuchungen einsteigen, wäre es, meiner Meinung nach, sinnvoller eine Kapselendoskopie für die Dünndarmdiagnostik vorzunehmen. Mit Hilfe der Kapsel kommen zuweilen Erkrankungen ins Sichtfeld, die man vorher aufgrund der Anamnese und des Blutbilds gar nicht in die Überlegungen einbezogen hatte. Gleichzeitig liegt der negative Vorhersagewert der Kapsel bei fast 100%: Wenn die Kapsel nichts sieht, dann ist der Patient in diesem Bereich gesund.

Es wäre für die Versorgung der Patienten wünschenswert, wenn sich diese Erkenntnisse künftig in der Kostenübernahme für gesetzlichversicherte Patienten abbilden ließen. 

Welchen Stellenwert hat die Kapselendoskopie heute?

Die Kapselendoskopie gibt es seit Anfang der 2000er Jahre. Trotz der Leitlinien ist die Methode immer noch nicht ausreichend etabliert. Es ist wichtig, bei Eisenmangelanämien und obskurer Darmblutung den Dünndarm überhaupt ins Kalkül zu ziehen. Nach wie vor werden viele Eisenmangelanämien nicht ausreichend abgeklärt. Häufig wird deshalb von Facharztseite darauf hingewiesen, dass neben der Magen- und Darmspiegelung, sofern diese ohne Befund sind, auch der Dünndarm mit Hilfe einer Kapsel endoskopiert werden sollte, um ein Gesamtbild des Magendarmtraktes zu erhalten. Letztlich können so Blutungsquellen sicher identifiziert werden.

Wir können diese „Triple“-Untersuchungen heute gut an einem Tag machen. Es ist eine gesetzlich geregelte medizinische Leistung bei entsprechender Indikationsstellung.

Die Diagnostik mittels Kapselendoskopie ist für den Anwender einfach und schnell. Die Bilder können sehr flexibel ausgewertet werden. Da es ein mobiles System ist, kann man dies zeit- und ortsunabhängig tun. Außerdem kann man die Befunde jederzeit mit Kollegen teilen und besprechen, wenn etwas unklar ist.

Der zuweisende Hausarzt kann relativ schnell - an einem Tag - eine umfassende Diagnose des ganzen Gastrointestinaltraktes bekommen und kann mit dem Facharzt entscheiden, was weiter zu tun ist. Für den Patienten ist es eine schonende und komplikationsarme Methode, ein stationärer Aufenthalt ist nicht erforderlich. Der Patient kann mit der Kapsel nach Hause gehen.