Renale Denervierung Bereit für die Regelversorgung

Die renale Denervierung (RDN) hat ihre Wirksamkeit und Sicherheit für die Blutdrucksenkung nachhaltig mit Studien bewiesen. Das Augenmerk der Experten richtet sich nun auf die Umsetzung des interventionellen Verfahrens in der Praxis. Beim virtuellen Medtronic-Symposium „Die Zukunft ist jetzt!“ auf den DGK Herztagen am 15.Oktober 2020 diskutierten die Referenten unter dem Vorsitz von Prof. Dr. med. Joachim Weil, SANA Kliniken Lübeck, und Prof. Dr. med. Felix Mahfoud, Universitätsklinikum des Saarlandes (Homburg), Kriterien für die Patientenselektion, die Standardisierung von Prozessen in ausgewiesenen Zentren und Voraussetzungen für RDN als Regelversorgung der gesetzlichen Krankenkassen.

Dr. med. Karl Fengler, Herzzentrum der Universität Leipzig, gab zu Beginn einen Überblick über die Studienlage. Die bisherigen Studien zeigten eine klare Überlegenheit der RDN gegenüber einer Scheinbehandlung, fasste Dr. Fengler zusammen. RDN senke den Bluthochdruck signifikant (ABDM und Praxis-Messung), sowohl kurz- als auch langfristig bis zu drei Jahre nach der Prozedur. Die Intervention verfüge darüber hinaus über ein exzellentes Langzeit-Sicherheitsprofil. Zudem wirke RDN signifikant bei einer Vielzahl von Hochrisikogruppen wie Patienten höheren Alters, mit Diabetes mellitus, mit höherem Körpermaßindex oder mit Nikotinabusus. Dr. Fengler wies darauf hin, dass weitere Studien zu den kardiovaskulären Langzeiteffekten nötig seien.

Nonadhärenz bei Antihypertensiva hat dramatische Folgen

Prof. Dr. med. Roland Schmieder, Universitätsklinikum Erlangen, sprach über die Patientenauswahl für die RDN. Nach wie vor gebe es keinen klinischen Prediktor, der die antihypertensive Wirkung der Intervention voraussagen könne. Für ihn persönlich, so Prof. Schmieder, käme RDN bei Patienten in Frage, die ein bis drei Präparate einnähmen, ohne dass sich eine antihypertensive Wirkung entfalte. Hier müsste mit Hilfe einer Urintestung geklärt werden, ob es sich um eine Therapieresistenz oder um eine Nonadhärenz in Bezug auf die Medikation handele.

Denn Studien belegen: Ca. 50% der Hypertoniker sind nicht therapieadhärent in Bezug auf ihre antihypertensive Medikation.1  Dramatisch und entscheidend sei dabei, so Prof. Schmieder, dass diese Nonadhärenz mit einer deutlich höheren kardiovaskulären Morbidität einhergehe. Eine Metaanalyse von 44 prospektiven Studien evaluierte die Adhärenz von insgesamt 1.978.919 eingeschlossenen Patienten, die an kardiovaskulären Erkrankungen litten. Die Autoren schlussfolgerten, dass ein beträchtlicher Anteil von 9,1% aller kardiovaskulärer Ereignisse auf eine schlechte Adhärenz zurückzuführen sei.2

Die Adhärenz könne als ein Aspekt des Patientenwunsches betrachtet werden, so Prof. Schmieder. Die Patientenpräferenz sollte im Gespräch zwischen Arzt und Patient in Erfahrung gebracht werden. Er verwies in dem Zusammenhang auf das Circulatory System Devices Panel der US-amerikanischen Food & Drug Administration. Das Panel stellte im Dezember 2018 fest, dass die Patientenperspektive wichtig sei, wenn mehrere Behandlungsoptionen zur Verfügung stehen. „Diese Situation werden wir künftig beim Bluthochdruck mit der renalen Denervierung haben,“ war sich Prof. Schmieder sicher.

Ärzte und Patienten treffen Behandlungsentscheidung unterschiedlich

Eine Befragung von Zuweisern und Interventionalisten ergab jüngst, welche medizinischen Kriterien diese für die RDN Patientenselektion anwenden: Beide befragten Gruppen empfehlen RDN vorrangig Patienten mit einem hohen systolischen Blutdruck bei gleichzeitiger Einnahme von ≥ 3 Medikamenten.3  „Patienten denken anders,“ konstatierte Prof. Schmieder. Bei einer Befragung, die bundesweit 1.011 Patienten einschloss, bevorzugten 38,2% der Patienten, die bis dato keine antihypertensive Medikation verschrieben bekommen hatten (n = 172) eine RDN, während in der Gruppe mit ≥ 1 Medikament (n = 839) 28,2% der Patienten eine RDN favorisierten.4  Vor allem Männer (p < 0,0001) und jüngere Patienten  (p < 0,0001) zogen eine einmalige Intervention der Medikamenteneinnahme vor. Patienten, die Erfahrungen mit Nebenwirkungen von Medikamenten gemacht hatten, waren einer RDN ebenfalls eher zugeneigt, konstatierte Prof. Schmieder. „Die medizinischen Kriterien, die uns als Ärzte beeindrucken, sind für die Patienten nicht das Kriterium. Sie werden von ihren Erfahrungen geleitet“, so Prof. Schmieder. Daher sollten beide Perspektiven – die objektiven medizinischen Daten und die Patientenpräferenz - in einem Shared-Decision-Making-Prozess zusammengeführt werden, fasste Prof. Schmieder zusammen.

Standardisierte Klinikprozesse und Follow-ups sind essenziell

Noch sei RDN keine Alternative zur Medikation, sagte Prof. Prof. h.c. Dr. med. Markus van der Giet, Charité Universitätsmedizin Berlin. Derzeit komme RDN in Fällen mit therapieresistenter Hypertonie, Medikamentenunverträglichkeit und ggf. bei mangelnder Therapieadhärenz in Frage.

Für die praktische Umsetzung im Klinikalltag sei ein hohes Maß an Standardisierung wichtig: erfahrene Zentren mit einer standardisierten Medikation und einem systematischen Vorgehen bei der Intervention sowie einer anschließenden Nachverfolgung der Patientenfälle. 

Stellt sich ein Patient für eine RDN vor, sieht die Diagnostik in der Berliner Charité eine Adhärenztestung und den Ausschluss einer Weißkittelhypertonie durch zweifache ABDM-Messung über einen Zeitraum von maximal zwölf Wochen vor. Neben der Abklärung sekundärer Hypertonieursachen (u.a. Renin-Aldo Ratio, Schlafapnoescreening und Nierenarterienstenose) sei eine kritische Überprüfung der antihypertensiven Medikation unter Berücksichtigung der Historie notwendig. „Häufig sehen wir, dass die Dosierung nicht ausgenutzt wird, ein zu schneller Wechsel der Präparate stattfindet oder Kombinationspräparate nicht eingesetzt werden“, erläuterte Prof. van der Giet. Auch die Allgemeinmaßnahmen würden oft nicht konsequent umgesetzt.

Nach Ausschluss der sekundären Hypertonie, der Überprüfung von Medikation und Adhärenz legt das interdisziplinäre Hypertonieboard, bestehend aus je einem Interventionalisten, Hypertensiologen, Kardiologen und Nephrologen, fest, wer renal denerviert wird. Dafür wird die Anatomie der Nierengefäße mittels CT-Angiographie für die Machbarkeit des Eingriffs überprüft, beschrieb Prof. van den Giet den Charité-Prozess. Bei positiver Prüfung steht am Ende eine ärztliche Empfehlung für die renale Denervierung mit einem Antrag an die gesetzlichen Krankenkassen – aktuell allerdings mit dem Risiko der Ablehnung.

Nach erfolgter Prozedur ist eine systematische Nachkontrolle essenziell. Die Charité verfolgt ein striktes Regime mit Nachkontrollen nach 1, 3, 6 und 12 Monaten. Für drei Jahre erfolgen die Kontrollen dann halbjährlich und schließlich jährlich. Bei den Follow-ups wird der Blutdruck (ABDM) gemessen sowie der Retentionsparameter und die Nierenarterien mittels Bildgebung kontrolliert. Alle Patienten werden lokal und im Register systematisch erfasst.

1

Berra E, Azizi M, Capron A et al. Hypertension 2016; 68(2) ; 297-306. DOI: 10.1161/HYPERTENSIONAHA.116.07464.

2

Chowdhury R, Khan H, Heydon E et al.Eur Heart J 2013; 34(38); 2940-8. DOI: 10.1093/eurheartj/eht295.

3

Schmieder RE et al. Journal of Hypertension 2020 – in Druck.

4

Schmieder RE, Högerl K, Jung S, et al. Clin Res Cardiol 108, 1331–1342 (2019). DOI: 10.1007/s00392-019-01468-0.