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Melanie Bahlke, 43, ist erste Vorsitzende der Adipositaschirurgie-Selbsthilfe Deutschland. Von Kindesbeinen an kämpft sie mit ihrem Gewicht. In der Selbsthilfe setzt sie sich für eine bessere Versorgung von Menschen mit Adipositas ein. Wenn man sie fragt, warum sie das tut, sagt sie: „Adipositas verkürzt mein Leben. Ich habe eine Verantwortung für mein Kind, ich empfinde Verantwortung für andere Patienten und möchte sie ermutigen, dranzubleiben. Und ich würde ganz gerne noch ein bisschen leben.“
In Melanies Familie hatten alle - Oma, Tanten und Mutter - mit Übergewicht zu kämpfen. Auch Melanie war stämmiger als die anderen Kinder. „Das machte noch nicht so viel aus. Meine Mutter war jedoch in Sorge, dass ich wie die anderen in der Familie werde“, erinnert sie sich heute.
Die Folge: Melanie hielt schon mit 8 Jahren Diät. Ihre Mutter suchte nach Wundermitteln, steckte Melanie in Diätgruppen und kaufte Formula-Diäten. „Ich habe schon als Kind gemerkt, dass ich belastet werde. Ich wollte keine Diäten machen, die Sachen haben mir nicht geschmeckt“, beschreibt Melanie ihre damalige Situation. Sie unterlief die Versuche ihrer Mutter, kaufte vom Taschengeld Schokolade, die sie aß, wenn sie unbeobachtet blieb.
Lange war Melanie als Kind zwar kräftig, aber körperlich aktiv: Wanderungen am Wochenende und Fußball spielen sorgten für ein einigermaßen normales Gewicht. Als sie mit 16 Jahren wegen der Bänder mit dem Fußball aufhören musste, ging ihr Gewicht drastisch nach oben.
Während der Bäckerlehre lag ihr Gewicht zunächst bei 100 kg und später bei 120 kg. Bei einer Körpergröße von 175 cm entspricht dies einem Body Mass Index (BMI) von knapp unter 40 kg/m2. Der Grenzwert für eine Adipositas des höchsten Schweregrads liegt bei ≥ 40 kg/m2. Dies geht in der Regel mit einer starken Einschränkung der Lebensqualität und einem hohen Risiko für Folge- und Begleiterkrankungen einher.
Als Melanie volljährig war, ging sie wie andere junge Erwachsene raus auf Partys und zum Tanzen. „Ich war beliebt“, erinnert sie sich. In ihrem Umfeld geriet sie allerdings an Menschen, die ihr nicht guttaten. „Ich habe mich nicht gefühlt. Ich war sicher, dass ich nichts zu wollen habe. Ich habe eine Rolle gespielt, von der ich naiv glaubte, dass ich sie erfüllen muss“, beschreibt sie ihre Gefühle von damals. So war sie in ihren Beziehungen alles andere als glücklich, ertrug sogar körperliche Übergriffe ihres Partners und kompensierte mit Essen.
Der Chef der sozialen Einrichtung, in der sie arbeitete, schlug Alarm, als Melanie mit 25 Jahren bei einem Körpergewicht von 208 kg angelangt war. In einer psychologischen Praxis, die auf Essstörungen spezialisiert war, traf Melanie erstmals auf eine Therapeutin, die sie und ihre Probleme ernst nahm. „Bis dahin hatte jeder Psychologe mit mir Diät gemacht. Mein eigentliches Thema blieb unbesprochen. Es gibt eine große Unwissenheit über Adipositas bei Therapeuten“, weiß Melanie auch durch den Austausch mit anderen Betroffenen in der Selbsthilfe.
Ihre Therapeutin schickte Melanie für drei Wochen in eine psychosomatische Fachklinik. Sie blieb ein paar Monate. „Dort habe ich gelernt, Grenzen zu definieren und auf mein Bauchgefühl zu hören. Erstmals habe ich mich selbst als Mensch gesehen und überlegt, was ich will“, erinnert sich Melanie. Nach dem Klinikaufenthalt setzte sie ihre Therapie – Bewegung, Ernährung und Psychotherapie - ambulant fort. „Ich hatte das Glück, dass meine Krankenkasse das gezahlt hat. Wir sehen in der Selbsthilfe viele Patienten, bei denen das nicht der Fall ist.“
Der Klinikaufenthalt war zudem der Anstoß für einen chirurgischen Eingriff. Der Antrag war ein langwieriger Prozess und wurde zunächst abgelehnt. Erst mit Unterstützung ihres Chefs und nach direkten Gesprächen mit ihrer Krankenkasse erhielt sie die Zusage der Kostenübernahme.
Die Operation, ein so genannter Magen-Bypass, fand im Herbst 2003 statt. Hierfür sind zwei Schritte notwendig: Zum einen wird der Magen verkleinert und geteilt. Zum anderen wird der Magen-Darm-Trakt rekonstruiert. Auf diese Weise wird die Nahrung größtenteils am Magen und an einem Teil des Dünndarms vorbeigeleitet, so dass sowohl die Nahrungsaufnahme als auch die Kalorienaufnahme verringert werden.
Der Eingriff war ein voller Erfolg: In den darauffolgenden 15 Monaten ging Melanies Gewicht runter auf 102 kg. Der Bluthochdruck, an dem sie vorher gelitten hatte, verschwand direkt nach der Operation. Mit viel Energie startete sie wieder in ihrem Job durch.
Dennoch sagt Melanie heute: „Die Operation hätte therapeutisch begleitet werden müssen, weil ich mich selbst nicht verstanden habe.“ In der Selbsthilfe erlebt sie viele Patienten, die nach dem Eingriff glücklich sind, neu anfangen und wieder arbeiten können. Es gibt aber auch die andere Seite: Melanie litt nach dem Eingriff an einem übersteigerten Selbstwertgefühl und dachte über sich selbst: „Welcher dieser Typen bist du eigentlich?“ Heute rät sie anderen Patienten in der Selbsthilfe: „Wenn du dir solche Fragen stellst, ist es Zeit für einen Therapeuten.“ Nur muss man sich als Betroffener selbst darum kümmern, bemängelt Melanie, obwohl in den medizinischen Leitlinien eine langfristige Betreuung vorgesehen ist.
Die Operation hätte therapeutisch begleitet werden müssen, weil ich mich selbst nicht verstanden habe.
Melanie Bahlke
Auch in puncto Nachsorge der Operation ist sie heute schlauer. Ein adipositaschirurgischer Eingriff hat einen großen Einfluss auf den Stoffwechsel und macht deshalb auch eine kontinuierliche ernährungsmedizinische Nachsorge nötig, damit die Patienten keine Mangelerscheinungen entwickeln. Die Nachsorge absolvierte sie nicht im Adipositaszentrum, sondern beim Hausarzt. Melanies Blutuntersuchungen entsprachen nicht den Vorgaben, so dass ein Kalziummangel unentdeckt blieb, mit schwerwiegenden Folgen für ihre Zähne.
Zwei Jahre nach der OP war Melanie schwanger und entwickelte – zunächst unentdeckt – einen Schwangerschaftsdiabetes und ein Lip- / Lymphödem . Die chronische Fettverteilungsstörung tritt bei Frauen oft durch hormonelle Umstellungen wie einer Schwangerschaft auf und sorgt für Fettanlagerungen und Flüssigkeitsansammlungen in den Zellen. Durch die Fettverteilungsstörung nahm sie 70 kg zu: „Ich dachte mir: Du hast doch eine Magen-OP gehabt. Warum bist du jetzt wieder so dick?“ Während ihr Gynäkologe Melanie nicht ernst nahm und der Hausarzt ihr sagte, es gebe neben ihr noch andere Menschen mit ernsthaften Erkrankungen, stellte das Adipositaszentrum erst später die richtige Diagnose. Durch das Gewicht nahmen die Kniegelenke Schaden, und Melanie hatte Angst, im Rollstuhl zu enden. Nun hofft sie auf eine Liposektion, eine spezielle Fettabsaugung zur Symptomlinderung des Lip-/ Lymphödems.
Mit Herzblut engagiert sich Melanie in der Selbsthilfe und vernetzt sich auch international mit Betroffenen und Adipositas-Experten. „Man sagt uns immer: Ihr seid keine Therapeuten, ihr sollt keine Tipps geben. Die Therapie wird aber nicht bezahlt. Das führt dazu, dass wir die Versorgungslücken mit Selbsthilfestrukturen füllen“, beschreibt Melanie die Situation. Neben der Therapie der Adipositas kümmert sich die Selbsthilfe um alle Bereiche des Alltags, in denen Menschen mit Adipositas vor unüberwindlichen Hürden stehen: Dazu zählen z. B. anstehende Untersuchungen per Computertomograph, die nur selten für Patienten mit 200 – 250 kg zur Verfügung stehen, und Pflegeplätze, die aufgrund der fehlenden Technik und Ausstattung (Spezialbetten etc.) nicht verfügbar sind. Sogar auf dem Sterbebett entstehen Probleme, mit denen Angehörige überfordert sind: „Für Patienten mit einem extremen Gewicht gibt es keine Särge, keine adäquaten Kühlräume, auch die Einschübe im Krematorium sind zu eng. Das führt zu Extrakosten, die nicht jeder tragen kann“, weiß Melanie aus den Gesprächen in der Selbsthilfe.
An die Normalgewichtigen hat Melanie schließlich noch eine Botschaft: „Wir sind Diskriminierung und Stigmatisierung gewöhnt, Menschen sagen uns ständig ungefragt, was sie über unser Gewicht denken, ohne uns als Menschen zu kennen. Wir sind dick, aber wir sind nicht taub. Sagt doch einem übergewichtigen Menschen einfach mal etwas Nettes! Wahrscheinlich wird er das nicht gleich annehmen können, aber es wird ihm guttun, und euch tut es nicht weh.“