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Bluthochdruck die unterschätzte Gefahr

Bluthochdruck ist eine Volkskrankheit. Sie ist gefährlich und unterschätzt. Neben der Veränderung des eigenen Lebensstils und Medikamenten etabliert sich die renale Denervierung als Verfahren in der Bluthochdrucktherapie.

Wirksame therapien für eine unterschätzte gefahr

Bluthochdruck ist ein Massenphänomen und gleichermaßen gefährlich wie unterschätzt. Seit geraumer Zeit etabliert sich die renale Denervierung als eines der Standardverfahren in der Bluthochdrucktherapie. Die rasante Miniaturisierung der Medizintechnologie und intensive Forschungsarbeit haben der fast hundert Jahre alten Idee erfolgreich neues Leben eingehaucht.

 

Bluthochdruck ist die mutter der Herzkreislauferkrankungen

Das Herz versorgt den Körper mit Blut. Bei jedem Schlag entsteht Druck auf die Gefäßwände. Bei Aufregung oder Angst bereitet uns der Körper wie schon vor Jahrmillionen auf die Flucht vor und treibt den Blutdruck kurzfristig nach oben. Eine dauerhafte Erhöhung des Blutdrucks (Hypertonie) über Monate und Jahre führt jedoch zu schädlichen Gefäßveränderungen.Bis in die 1940er Jahre galt Bluthochdruck als natürliche Ausgleichsreaktion des Körpers, die nicht therapiert werden sollte. „1945 verstarb US-Präsident Franklin D. Roosevelt plötzlich an einem Schlaganfall. Sein Blutdruck von 300/190 mmHg fand sich in den Aufzeichnungen seines Leibarztes. Keiner konnte ihm damals helfen. Erst in den 1950ern gab es Medikamente “, erklärt Prof. Dr. Joachim Weil, Direktor des Herz- und Gefäßzentrums und Chefarzt der Medizinischen Klinik II der Sana Kliniken Lübeck, der sich als Vorstandsmitglied der Deutschen Hochdruckliga intensiv mit der Hypertonie beschäftigt.Roosevelts Schicksal ist ein Beispiel für das so genannte kardiovaskuläre Kontinuum: „Am Anfang steht der Bluthochdruck. Ganz langsam entwickeln sich durch die Gefäßveränderungen gefährliche Folgeerkrankungen wie Schlaganfall, Herzinfarkt, Herzmuskelschwäche oder vaskuläre Demenz.

Prof. Dr. Joachim Weil, Direktor des Herz- und Gefäßzentrums und Chefarzt der Medizinischen Klinik II der Sana Kliniken Lübeck sowie Vorstandsmitglied der Deutschen Hochdruckliga.

 Es ist sehr wichtig, Bluthochdruck rechtzeitig zu erkennen, korrekt zu diagnostizieren und zu behandeln, um das Kontinuum zu unterbrechen“, betont Prof. Weil.Dabei scheint es egal zu sein, wie der Blutdruck gesenkt wird, ob mit Lebensstilveränderungen, mit Medikamenten oder mit einem interventionellen Verfahren: „Eine Blutdrucksenkung mindert in der Regel immer das Risiko für ernsthafte Komplikationen. Eine systolische Blutdrucksenkung um 10 Punkte (mmHg) reduziert das Risiko für eine koronare Herzkrankheit um 17% und das eines Schlaganfalls sogar um 27%“ 1 , erklärt Prof. Weil.

Bluthochdruck behandeln

Unser Lebensstil passt nicht zu unserem genetischen Bauplan

Bluthochdruck ist eine Volkskrankheit. In Deutschland leidet jede dritte erwachsene Person daran.2 „Wir sitzen den ganzen Tag vor dem Rechner und essen drei Mal am Tag. Vor drei Millionen Jahren mussten wir unser Essen mühsam erjagen oder sammeln. Die Kalorienzufuhr und der -verbrauch sind heute im Missverhältnis“, sagt Prof. Weil.
Ein hormoneller Regelkreis sorgte schon bei unseren steinzeitlichen Vorfahren dafür, den Blutdruck und den Wasser-Elektrolyt-Kreislauf zu regulieren. 

Salz war mit ca. 2g täglich ein knappes Gut, das durch das bewegungsreiche Leben schnell ausgeschwitzt wurde. Der Regelkreis war lebensnotwendig, um Salz und Wasser aus dem Urin zu filtern und den Körper vor Austrocknung zu schützen.Mit unserer heutigen Ernährung - industriell verarbeitetes Essen, viel Fleisch, wenig Gemüse - schaffen wir es auf ca. 7-10g Salz pro Tag. „Viele Patientinnen und Patienten haben einen salzintensiven Bluthochdruck“, erläutert Professor Weil. Der veraltete Regelkreis, der mit diesen Mengen nicht zurechtkommt, ist ständig überaktiv. Die Lebensstilveränderung steht daher immer am Beginn der Therapie: normales Körpergewicht, gesunde und salzarme Ernährung und ausreichend Bewegung können den Blutdruck senken. Studien haben gezeigt, dass eine Reduktion des Salzkonsums um ein Viertel der täglichen Zufuhr mit einem verbesserten Überleben und einer niedrigeren Schlaganfallrate verbunden ist.3

 

 

Volkskrankheit Bluthochdruck

Bluthochdruck ist eine Volkskrankheit. In Deutschland leidet jede dritte erwachsene Person daran.2

Viele Medikamente werden nicht eingenommen

Wenn die Hypertonie nicht mit Lebensstilveränderung in den Griff zu kriegen ist, sind gut verträgliche Medikamente das Mittel der Wahl. „Oft reicht eine Tablette nicht aus und man benötigt verschiedene Wirkstoffe, um den Zielblutdruck zu erreichen. Solange sich die Therapie auf wenige Pillen täglich beschränkt, machen Patientinnen und Patienten das mit“, erläutert Prof. Weil.

Trotz der Gefahr ist Bluthochdruck eine unterschätzte Erkrankung und fehlende Therapietreue ein echtes Problem. Medikamente können nur bei regelmäßiger Einnahme wirken. Da die Erkrankung oft keine oder wenige Symptome verursacht, nimmt rund die Hälfte der Patientinnen und Patienten Medikamente unregelmäßig und ca. ein Viertel nimmt sie gar nicht.4 Dabei gilt: Je mehr Pillen eingenommen werden müssen, desto schlechter ist die Therapietreue. Die Konsequenz ist dramatisch: Fast 10% aller kardiovaskulärer Ereignisse sind auf fehlende Therapietreue zurückzuführen.5

Dazu kommen die Menschen, bei denen die Medikamente nicht wirken. „Ungefähr 5–15% der Hypertonikerinnen und Hypertoniker zählen zu dieser Gruppe. Sie haben ein um 50% erhöhtes Risiko für Herzkreislauferkrankungen.6

Zwölf Tabletten führten nicht zum Ziel

Ingo Dietz, 57, hat vor rund 20 Jahren den Quereinstieg in den Pflegeberuf gewagt. Seitdem ist er mit Leib und Seele in der Altenpflege: „Wenn das Herz nicht dabei ist, sollte man diesen Beruf nicht ergreifen“, meint der dreifache Familienvater. Er leidet wie schon beide Elternteile an Diabetes mellitus. Ein weiterer familiärer Risikofaktor: Vater und Mutter sind beide an Schlaganfall gestorben. Zusammen mit dem Stress als Stationsleitung einer Pflegeeinrichtung, dem Rauchen und dem Übergewicht ging der Blutdruck Anfang der 2000er Jahre durch die Decke. „Nach einer 24-Stunden-Messung hatte ich einen Spitzenwert von 210/110 mmHg. Ich habe das gemerkt, so ein Druck auf dem Kessel. Ich hatte starke Kopfschmerzen, war ruhelos, hatte einen hochroten Kopf. Mein Kardiologe hat mich erst einmal aus dem Verkehr gezogen“, erinnert sich der Berliner. In einer dreiwöchigen Reha-Maßnahme sollte er mit Hilfe von Meditation, Sport und Ernährungstipps lernen, seinen Lebensstil zu verändern. „Danach gehst du zurück auf Station und hast wieder Verantwortung für 30 Bewohnerinnen und Bewohner. Nach einem stressigen Stationsalltag gehst du nicht mehr ins Fitnessstudio“, schildert Dietz seine Schwierigkeiten, den Lebensstil umzustellen.

Porträt Ingo Dietz, Bluthochdruckpatient

Bei der Medikamenteneinnahme war er hingegen vorbildlich: „Ich kenne die Krankheitsbilder von Berufs wegen und habe jeden Tag vor Augen, was mir passieren könnte.“ Zwölf Tabletten musste er täglich einnehmen. „Trotzdem habe ich es nur in den systolischen Blutdruckbereich von 160 bis 170 geschafft“, erinnert sich Dietz. Der Berliner zählt zu den 50% der Betroffenen, deren Bluthochdruck sich trotz Medikation nicht in den Zielblutdruck senken lässt.7
 

Renale Denervierung als ergänzendes Verfahren

Was tun, wenn Medikamente allein nicht die Lösung sind? „Wir müssen alle Maßnahmen ergreifen, um den Bluthochdruck zu senken. Jedes mmHg zählt, um das kardiovaskuläre Kontinuum zu durchbrechen und Folgeerkrankungen zu vermeiden“, betont Prof. Weil. Hier kommt das Verfahren der renalen Denervierung ins Spiel, die seit einigen Jahren ergänzend zum Einsatz kommen kann.

Wir müssen alle Maßnahmen ergreifen, um den Bluthochdruck zu senken. Jedes mmHg zählt.

Prof. Joachim Weil

„Neu ist das Konzept der renalen Denervierung nicht. Die Idee ist fast hundert Jahre alt“, berichtet Prof. Weil. In den 1930er Jahren hatte man festgestellt, dass die sympathischen Nervenfasern in den Nierenarterien eine große Rolle bei der Regulation des Blutdrucks spielen. In den 1940er Jahren – als es noch keine Medikamente gab – versuchte man sich erstmals an der renalen Denervierung, indem man in einer aufwändigen OP die Nervenfasern zur Niere durchtrennte.

 "Das war als antihypertensive Behandlung zwar einigermaßen erfolgreich. Man konnte damals allerdings die einzelnen Nervenfasern nicht präzise durchtrennen. Man durchtrennte den ganzen Nervenstrang, der für die untere Körperhälfte verantwortlich war – mit Auswirkungen auf z.B. das Gleichgewicht der Operierten. Darüber hinaus handelte es sich um eine größere Operation mit vielen Nebenwirkungen."

Die Miniaturisierung der Medizintechnologie macht es möglich

Mit Radiofrequenztechnologie werden bei der renalen Denervierung Nervenfasern präzise unterbrochen, die für den Bluthochdruck eine Rolle spielen.

Das biologische Konzept der renalen Denervierung war schon damals überzeugend, während die Technologie noch nicht zu solchen präzisen Eingriffen in der Lage war. Mehr als 50 Jahre später nahmen Forscherinnen und Forscher aus Medizin und Ingenieurswesen die Idee wieder auf. Die Miniaturisierung der Medizintechnologie macht es heute möglich, dass die renale Denervierung höchst präzise und minimal invasiv erfolgen kann: Über einen kleinen Schnitt an der Leiste wird der Symplicity SpyralTM Multielektrodenkatheter zu den beiden Nierenarterien geführt. An den Nierenarterien wird mit Hilfe modernster Radiofrequenztechnologie Energie abgegeben. So werden die Nervenfasern, die eine Rolle für den Bluthochdruck spielen, sehr präzise unterbrochen, ohne dass andere Nervenfasern in Mitleidenschaft gezogen werden. Umfassende Studien- und Registerdaten zeigen, dass die radiofrequenzbasierte renale Denervierung zu einer deutlichen Reduzierung des Blutdrucks führt und das Verfahren sehr sicher ist.

Von zwölf Tabletten runter auf drei

„Patientinnen und Patienten, die mit einem bis drei Medikamenten gut eingestellt sind, würde man die renale Denervierung nicht empfehlen“, meint Prof. Weil. Für Menschen, deren Blutdruck trotz Medikation nicht im Zielbereich ist – wegen fehlender Therapietreue oder Therapieresistenz – und die ein hohes kardiovaskuläres Risiko haben, kann die renale Denervierung eine Option sein.
Zu dieser Gruppe gehörte Ingo Dietz. Sein Kardiologe empfahl ihm vor zwei Jahren den minimal invasiven Eingriff. „Ich dachte mir: Du kannst nichts verlieren. Probiere es einfach“, erinnert er sich. „Den Eingriff habe ich ohne Nebenwirkungen überstanden. Ich würde es wieder machen. In den Wochen nach der OP habe ich körperlich richtig gemerkt, wie sich die Wirkung im Körper manifestiert hat.“ Heute braucht er nur noch drei Medikamente und bewegt sich im Blutdruckbereich von 140/80 mmHg. „Ein Unterschied wie Tag und Nacht“, zeigt sich der Berliner zufrieden. Inzwischen hat er auch einen Weg gefunden, seinen Lebensstil zu verändern. Er arbeitet nicht mehr auf Station, sondern leitet als Ausbildungskoordinator die Auszubildenden für den Pflegeberuf an. „Das ist deutlich weniger Stress. Ich gehe nicht mehr so schnell durch die Decke.“
 

Eine Technologie – mehrere Einsatzgebiete?

Während sich die renale Denervierung als ein Standardverfahren für den Bluthochdruck etabliert, geht die Forschungsarbeit weiter. „Herz-Kreislauf-Erkrankungen wie Vorhofflimmern und Herzinsuffizienz werden wie der Bluthochdruck durch die erhöhte Aktivität des sympathischen Nervs beeinflusst“, erklärt Prof. Weil. Erste Studien deuten bereits darauf hin, dass die renale Denervierung Episoden von Vorhofflimmern wirksam reduzieren könnte. „Weitere klinische Studien werden zeigen, ob das tatsächlich zukünftige Einsatzgebiete für die renale Denervierung sein könnten. Da sind in den kommenden Jahren spannende Forschungsergebnisse zu erwarten.“

Mehr Informationen zur Erkrankung des Bluthochdrucks finden Sie hier.

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